Abhören, Beschatten, Bespitzeln – oft sind das die einzigen Mittel, die die Polizei hat, um Schwer- und Schwerstkriminalität, vor allem im organisierten Bereich, aufzudecken. Diese Werkzeuge sind für die Verbrechensbekämpfung unerlässlich.
Klar ist aber auch, dass es sich dabei um massive Grundrechtseingriffe handelt und gewährleistet sein muss, dass nur abgehört wird, wer dringend einer schwerwiegenden Straftat verdächtig ist.
Denn die Betroffenen sind eben bloß Verdächtige. Sie sind noch nicht einmal angeklagt und schon gar nicht verurteilt, und die Überwachungsmaßnahmen können Privates genauso zum Vorschein bringen, wie Tatrelevantes. Deshalb steht die Verhältnismäßigkeit als Erfordernis ausdrücklich etwa in §136 (4) StPO.
Einen ganz wesentlichen Teil der Kommunikation im Rahmen von kriminellen Machenschaften und Organisationen kann die Polizei derzeit jedoch nicht überwachen: Jenen via Email, Whatsapp, SMS, Dropbox, Facebook, etc.
Hier hinkt die StPO der Realität hinterher. Waren früher Lausch- und Spähangriff probate Mittel, sind sie in Zeiten der Textnachricht und der Cloud wirkungslos.
Es ist deshalb grundsätzlich verständlich, wenn Justizminister Brandstetter einen §136a StPO möchte, der dem Staat ermöglicht, auch solche Kommunikation im Fall des Falles zu überwachen.
Es kann zu Beginn problemlos außer Streit gestellt werden, dass es sich hierbei um eine logische Weiterentwicklung des Rechts und der polizeilichen Ermittlungswerkzeuge handelt, wie sie der technische Fortschritt einfach mit sich bringt.
Doch hier beginnen auch schon wieder die Probleme: Dieses Update des Lausch- und Spähangriffs erreicht eine Dimension, die jene seiner Vorgänger bei weitem übersteigt. Es handelt sich um eine Spionagesoftware, die ohne Wissen des Betroffenen, sämtliche über einen Computer – gleich, ob PC, Tablet,Smartphone, Spielkonsole oder etwa Bordcomputer eines Autos – stattfindende Kommunikation absaugbar macht. Inklusive der Identität der Kontaktpersonen. Ein Staatstrojaner.
Rechtsstaatlich, grundrechtlich aber auch politisch ist diese Form der Überwachung schwer problematisch und kaum verfassungskonform auszugestalten. Das zeigen auch die heftig ablehnenden Reaktionen des Datenschutzrates, der Datenschutzbehörde, des Österreichischen Journalistenclubs, des Amts der Wiener Landesregierung, der Volksanwaltschaft und allen voran des AKVorrat. Auch Bundeskanzleramt und OGH äußern sich kritisch gegenüber dem ersten Entwurf des BMJ.
So sind vom Trojaner auch Emails erfasst, die sich der Überwachte selbst schickt – etwa zu Erinnerungs- oder Notizzwecken. Erfasst sind auch alle Dateien, die jemand zum Eigengebrauch in seine eigene Cloud hochlädt. Das passt aber mit dem eigentlichen Zweck der Überwachung von Nachrichten analog zum bisherigen Lausch- und Spähangriff nicht nur nicht zusammen, sondern es geht in Wirklichkeit weit darüber hinaus.
Der Entwurf sieht außerdem vor, dass die Überwachung von Nachrichten und „sonstigen Daten“ erlaubt sein soll. Hier schafft man sehenden Auges einen unbestimmten Gesetzesbegriff: Was sind alles „sonstige Daten“? Ebenso offen ist, ob der Zugriff auf das Zielsystem one-way oder two-way sein darf, ob die Polizei also nur Zuseherin ist oder auch aktiv im Zielsystem herumstöbern oder es sogar verändern kann.
Interessant ist auch, dass der Justizminister bis jetzt grundsätzlich immer betont hat, dass man die Software nur händisch installieren könne, eine Remote-Installation über Fernzugriff sei ausgeschlossen sei, und es sich dementsprechend gar nicht um einen Trojaner handle.
Wer den Wortlaut des vorgeschlagenen Gesetzes aufmerksam liest, wird aber feststellen, dass die Ferninstallation nirgendwo ausgeschlossen ist.
Der Ministerialentwurf für den Staatstrojaner birgt also massive Risiken für die Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit. Er operiert mit unbestimmten Begriffen und schafft damit weite Spielräume für die Behörden, was aus unserer Sicht in keinster Weise zu akzeptieren ist.
Das Justizministerium hat seine Pläne jetzt angeblich auf Eis gelegt (http://derstandard.at/2000038486797/Justizministerium-legt-offenbar-Plaene-fuer-Bundestrojaner-auf-Eis). Die umfassende Kritik hat also ihre Wirkung gezeigt. Hoffen wir, dass die Pläne dieses Mal auch wirklich ihr dauerhaftes Ende finden.
Schreibe einen Kommentar