Alpenstraße 88 in Salzburg, Landespolizeidirektion. Etwa 100 Meter abseits der mehrspurigen Straße erblickt man bereits vom Gehsteig mehrere weiße Zelte, die am bisherigen Fußballplatz der Landespolizeidirektion aufgestellt wurden. Insgesamt harren hier ca. 280 Flüchtlinge aus, die meisten von ihnen in einem der etwa 30 8-Mann-Zelte auf Pritschen, die sogenannten Dublin-Fälle im Turnsaal, und warten darauf wie es mit ihnen weitergeht. 2 Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmen siwacht bewachen im Auftrag der eigentlichen Betreiberfirma ORS den Zutritt. Ursprünglich waren auch nur zwei Betreuer von ORS vor Ort. Mittlerweile sind es vier. Ob die Angestellten des Sicherheitsunternehmens auch bei der Betreuung von den teilweise traumatisierten Flüchtlinge mithelfen, ist nicht ganz klar. Aufgrund der wenigen Betreuer vor Ort liegt dieser Schluss allerdings sehr nahe. Laut Anfragebeantwortung des Innenministeriums (http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_02623/imfname_378587.pdf) ist in dem zwischen Ministerium und ORS abgeschlossenen Betreuungsvertrag geregelt, dass „Betreuer grundsätzlich zumindest eine abgeschlossene Ausbildung im Pädagogik-, Sozial- bzw. Pflegebereich oder eine mindestens dreijährige Berufspraxis im Tätigkeitsbereich der Betreuung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden aufweisen müssen.“ Ganz abgesehen von dem absurden Betreuungsverhältnis von 4 ORS Betreuern zu ca 280 Flüchtlingen, ist außerdem klar, dass Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma diesen Kriterien nicht entsprechen.
Bei unserem Besuch ist das Gelände weitgehend trocken. Die „Holzbrücken“ zwischen den einzelnen Zelten erinnern aber daran, wie es hier ausgesehen haben mag, als das Gelände nach mehrtägigen Regenfällen unter Wasser gestanden ist.
Dennoch fehlt nach wie vor an den Grundlagen. Die ärztliche Betreuung ist absolut mangelhaft, von der psychologischen ganz zu schweigen. Traumatisierte Flüchtlinge werden nach einem einwöchigen Krankenhausaufenthalt mit den entsprechenden Medikamenten wieder ins Lager zurückgeschickt, die Unterarme noch verletzt vom „ritzen“.
Für die etwa 280 Männer steht ein Duschwagen zur Verfügung, dazu 4 Waschbecken im Keller. Weder vom Betreiber, noch vom Ministerium werden Deutschkurse organisiert. Die Verpflegung ist mit dem neuen Caterer seit letzter Woche besser geworden. Davor gab es Brotscheiben bzw. kalte Verpflegung, keine Getränke zum Essen. Sepp Schellhorn hat daraufhin einmal für das ganze Lager gekocht, es wurde ein kleines Volksfest daraus. Die neuen „Sozialzelte“, einfache Rot-Kreuz-Zelte mit Heurigentischen und –bänken ausgestattet, in denen sich die Leute hinsetzen, essen und austauschen können, kamen ebenfalls erst nach 7 Wochen auf das Betreiben von Freiwilligen vor Ort. Davor gab es keinerlei Sitzmöglichkeiten.
Mittlerweile kehrt etwas Ordnung in das anfängliche Chaos. Zu verdanken ist das allerdings nicht dem Betreiberunternehmen ORS oder gar dem Ministerium, sondern dem unermüdlichen Einsatz mehrerer Freiwilliger, die mittlerweile nicht nur Deutschkurse sondern zum Teil auch Freizeitaktivitäten organisieren, um die langen Tage etwas aufzulockern bzw. Struktur zu geben. Man will sich gar nicht wirklich vorstellen, wie die Lage vor Ort ohne dieses zivilgesellschaftliche Engagement aussehen würde.
Eine Geschichte ist besonders repräsentativ für das organisatorische Durcheinander bzw. Managementversagen von höchster Stelle: Für einen Flüchtling steht ein Termin im Erstaufnahmezentrum Thalham an. Die ca. 90 km hin und zurück werden mit dem Taxi absolviert. Das ist zwar teuer, aber eine Organisation mit öffentlichen Verkehrsmitteln würde zu viel Arbeit für die Betreiberfirma bedeuten. Am Nachmittag kehrt der Flüchtling unverrichteter Dinge wieder. Der für den Termin notwendige Dolmetscher war nicht in Thalham anwesend.